Ich lebe nun schon seit knapp drei Wochen in Ghana und so langsam wird es mal Zeit für den ersten Bericht für Euch.
Ich weiß zugegebenermaßen garnicht womit ich anfangen soll. Mit meinen Eindrücken vom Land Ghana, mit meinen Aktivitäten, mit den Menschen, deren Mentalität, oder oder oder?!
Alles ist so neu für mich und komplett anders als Deutschland.
Im Vergleich zu all den neuen Erfahrungen und Erlebnissen war der Hinflug eigentlich recht unspektakulär, dabei war er mit einer Dauer von 10 Stunden und einem Flugzeugwechsel in Amsterdam der bisher längste und komplizierteste Flug meines Lebens.
Die erste Luft, die ich nach der Landung einatmete war ziemlich stickig, tropisch, „schmutzig“ und wortwörtlich atemberaubend. Meinen ersten Eindrücken nach beschreibt das Ghana sehr gut.
Nachdem ich die Passkontrolle erfolgreich überstanden, mein Gepäck gefunden, ein paar Euros in die ghanaische Währung CEDI umgetauscht und erste Taxifahrer und Gepäckträger abgewimmelt hatte, galt es James zu finden – meinen Ansprechpartner, den Schulleiter der „Kids of Light- School“.
Erstaunlicherweise führte das zu keinerlei Problemen, obwohl er ganz am Ende einer Reihe von ähnlich fremd aussehenden dunkelhäutigen Menschen stand und er der einzige von Ihnen war, der kein „Abhol-Namensschild“ in seiner Hand hielt. James empfing mich herzlich und wir starteten unsere nächtliche Reise.
Mit einem Taxi fuhren wir zur Busstation und das Warten begann – ein zweistündiges Warten darauf, dass sich genug Leute für einen Bus zusammen gefunden hatten, die das gleiche Ziel wie wir anstrebten, Kumasi. Währenddessen guckten wir irgendwo in einer kleinen Ecke des Busplatzes Fernsehen – U20 Frauenfinale Deutschland gegen Nigeria und James brachte mit jegliche Nahrung. Wie mir später berichtet wurde siegte Deutschland.
Die Busfahrt verschlief ich und von Kumasi ging es dann mit dem Trotro nach Kona, dem Zielort. Ein Trotro ist ein Bulli, in den so viele Sitze wie möglich gequetscht sind, um möglichst viele Menschen für möglichst wenig Geld von einem Ort zum Anderen zu bringen. Es handelt sich um Autos, die in Deutschland, denke ich, nicht zugelassen wären und fürchterlich unbequem sind, aber in Ghana wegen der günstigen Preise sehr beliebte Fortbewegungsmittel sind.
Ich war fasziniert davon, wie viele Menschen nachts auf den Straßen waren und versuchten ihre Wahren zu verkaufen oder eben die Menschen zu kutschieren – zu viele. Und überhaupt ist alles anders.Es gibt keine Häuser wie ich sie kenne. Die meisten Menschen wohnen in Hütten oder in nicht vollständig eingerichteten Betongebilden. Da es keine Mülleimer zu finden gibt, werfen die Menschen ihren Müll auf die Straßen und alles ist schmutzig. À propos Straßen - richtig gute Straßen gibt es nur selten, bloß überwiegend Sandwege mit riesigen Löchern, was den Zustand der Autos in Ghana erklärt.
Ghana ist zwar eines der am weitesten entwickelten Länder in Afrika, aber im Vergleich zu Deutschland steht es noch relativ weit am Anfang der Entwicklung. Genau das ist es allerdings, was das Leben hier so spannend und interessant macht.
Nach unserer Ankunft in meinem neuen Zuhause für ein Jahr, stellte James mir zuerst seine Frau Esther (auch Esthee genannt) und seine jüngste Tochter Justine (11 Monate) vor. Die anderen vier Kinder waren auf Grund der Schulferien bei ihrer Tante, wo sie die Ferienschule besuchten.
Dann führte James mich über sein Grundstück, das ein wenig hinter der Kleinstadt Kona gelegen ist – in Deutschland würde man die Lage wohl Dorfbauernschaft nennen. Es ist ein großes Grundstück auf dem sämtliche Pflanzen zu finden sind. Um Geld für die Finanzierung und jetzigen Entwicklung seiner Schule aufzubringen, hat James sich vor vielen Jahren selbstständig gemacht. Seine Firma „Green Skies Ventures“ verkauft Pflanzen und designet und bepflanzt Gärten. Aus diesem Grund ist sein Garten besonders pflanzenreich und schön. Des öfteren kommen Hochzeitspaare hierher, um unter den Palmen oder vor den bunten Blumen Erinnerungsbilder zu machen.
Nun zeigte James mir meine Unterkunft. Ich wohne hier in meinen eigenen vier Wänden, einem zweiräumigen Appartement, das James einst selber für Gäste und Volunteers gebaut hat. Es verfügt sogar über ein kleines Bad mit einer Toilette und einer Dusche. Da es hier kein fließendes Wasser gibt, funktioniert die Toilettenspülung und der Duschhahn allerdings nicht. Jeden Tag holen wir Wasser aus dem Brunnen und das Kurbeln ist garnicht mal so einfach. Ebenso wenig wie das Tragen der Eimer in mein Bad. In diesem Jahr werden meine nicht vorhandenen Armmuskeln sehr beansprucht. Nicht nur beim Wasserschöpfen, sondern auch beim Kochen und Wäschewaschen. Es gibt hier keinen Herd und auch keine Waschmaschine. Gekocht wird auf einem selbst entfachten Feuer – einer Art Holzkohlegrill. Unsere Kleidung waschen wir mit der Hand in einem Wasserbad, indem wir nach Hinzufügen von Seife, die Kleidungsstücke mit viel Kraft aneinander reiben, um die Flecken zu entfernen. Das ist unwesentlich umständlicher und zeitintensiver als eine Waschmaschine zu betätigen.
Wir haben hier nicht nur kein fließendes Wasser, sondern auch keinen fließenden Strom. Wenn man allerdings doch mal elektronische Geräte aufladen möchte, muss man Benzin kaufen, das dann einen Generator antreibt. Oder man hat einfach einen schlauen Papa, der einem in Deutschland zwei Solarpanels gekauft hat – Sonne gibt es hier schließlich genug.
Ghana hat keine Jahreszeiten Frühling, Sommer, Herbst, Winter, wie wir in Deutschland. Hier gibt es Regen- und Trockenzeiten. Im Moment haben wir eine Regenzeit. Man muss sich darunter keinen endlosen Dauerregen vorstellen, sondern bloß plötzlich auftretende starke Platzregen, mit denen man nicht gerechnet hätte.
Aber nun genug zu meinen ersten Eindrücken vom Land Ghana und der Lebensweise. Manche von Euch fragen sich sicherlich, wie ich meine Tage hier gestalte und welche Aktivitäten ich habe.
Die letzten drei Wochen waren absolut unterschiedlich.
Die erste Woche verbrachte ich quasi rund um die Uhr mit James. Er nahm mich überall mit hin und ich durfte ihn zu all seinen „Terminen“ begleiten. James hatte sehr viel vorzubereiten für den Schulstart. Er musste zum Beispiel einen Gebührenzettel für die Eltern erstellen auf dem alle zu zahlenden Kosten für die Privatschule aufgelistet waren – Schulkosten, Bücherkosten, Heftkosten, Transportkosten und Kantinenkosten. Nachdem wir also in einem Bücherladen verschiedene Schulbücher ausgesucht und ihre Preise in Erfahrung gebracht hatten, gingen wir in einen „Druckerladen“. Dort war es dann meine Aufgabe eine Worddatei zu erstellen, in der alle anfallenden Kosten logisch und übersichtlich dargestellt waren. Dazu durfte ich den Laptop des Ladenbesitzers verwenden. Jeder Deutsche hätte vermutlich eine Datei zuhause vorbereitet und dann bloß die Kosten für die Bücher eingefügt – aber die Ghanaer scheinen eben mehr Zeit zu haben. Nachdem die Zettel 300mal ausgedruckt und ebenso viele Briefumschläge gekauft waren, galt es die Gebührenzettel zu verteilen. Und nein, das ist nicht so wie in Deutschland, dass man sie sorgfältig sortiert, adressiert, frankiert und zur Post bringt. Oh nein – das wäre ja langweilig!
Die Gebührenzettel werden zu den Eltern persönlich zu Fuß gebracht und vor ihren Augen in unsauber gestempelte Briefumschläge verpackt. An dieser Stelle sollte ich betonen, dass es in den verschiedenen Städten aus denen die Schüler kommen (Kona, Agona, Jamasi, T.Odumasi) keine sonderlich bekannten Straßen oder Hausnummern oder sogar Häuser gibt. Man fragt sich von Hütte zu Bude und läuft unzählige Kilometer. Da über 200 Schüler die „Kids of Light-School“ besuchen, ist diese Aufgabe nicht an einem Tag zu erledigen. Nein, ich glaube wir haben insgesamt drei Tage investiert. Wenn man sich nicht um ausreichend Sonnenschutz kümmert, endet man wie ich – krebsrot.
Die Ghanaer stört das allerdings garnicht, da meine Haut ja dennoch weiß ist. Viele der Kinder, die wir aufsuchten, hatten bislang nur im Fernsehen und in Filmen hellhäutige Menschen gesehen. Mich zu treffen war quasi eine Bestätigung dafür, dass es Weiße tatsächlich gibt. So kam es also nicht allzu selten vor, dass man mir „Bruni“ zurief. In der afrikanischen Sprache Twi, die die Menschen in der Region in der ich lebe sprechen, bedeutet das „Europäer“. Außerdem wurden wir des öfteren von Kinderscharen umzingelt und begleitet. Wie viele Hände ich in diesen Tagen geschüttelt habe, habe ich nicht gezählt. Vermutlich mehr als in all den Jahren meines bisherigen Lebens. Man könnte meinen ich würde auf meine Hautfarbe reduziert werden, aber das wäre keinesfalls abwertend gemeint. Für die Menschen bin ich eine Art Attraktion, der immer direkt ein Stuhl oder Wasser angeboten wird – ziemlich praktisch eigentlich. Trotzdem habe ich noch nie zuvor so bewusst über meine Hautfarbe nachgedacht wie hier in Ghana. Irgendwann male ich mich mit Kohle an – dann dürfte man mich doch eigentlich nicht mehr als „Bruni“ bezeichnen, oder?
Wenn James und ich also nicht gerade Briefe verteilten, gingen wir seiner zweiten Leidenschaft und Arbeit, den Pflanzen, nach. Wir arbeiteten zwei Tage daran einen Garten zu bepflanzen, den James vorher designet und vermessen hat. Während des ersten Tages erlebte ich meinen ersten ghanaischen Platzregen. Er dauerte zwei Stunden lang, die wir dann schlafend verbrachten. Wie könnte man die Zeit schon sinnvoller nutzen?
Außerdem besuchten James und ich einige reiche Ghanaer, um ihnen Empfehlungen zu ihrem Garten oder der Gestaltung ihres Hauses zu geben oder um ihren Arbeitern bestimmte Anweisungen zur Umsetzung der Arbeit zu erteilen. Beispielsweise durfte ich an einem Treffen mit dem Chief von Kona teilnehmen. Er hatte James und ein paar Berater zu sich nach Hause eingeladen, um zusammen mit Ihnen die Dekoration und den Vorgarten eines Hauses festzulegen, in dem Treffen zwischen allen Chiefs der Umgebung stattfinden werden. Der Chief wohnt in einem luxuriösen Haus, das mit verschiedenen Statuen geschmückt ist und eine Klimaanlage, Fernsehen und fließendes Wasser hat. Ein Angestellter von ihm versorgte uns während der Besprechung mit Getränken, von denen eine vielfältige Auswahl vorhanden war.
Wir besuchten außerdem noch zwei weitere reichere Menschen, nur um ihren Gärtnern Tipps zur richtigen Gartenpflege zu geben oder um kranke Pflanzen von ihnen zu retten. Bei einem der beiden Besuche mussten wir den Security-Mann am Tor des Grundstücks erst überzeugen, dass wir auch wirklich eingeladen waren. Es gibt eben nicht nur arme Menschen in Ghana..
James half mir in der ersten Woche auch dabei die Umgebung besser kennen zu lernen und organisatorische Dinge zu regeln. Er besuchte mit mir den Markt in Kumasi, um dort Stoffe zu kaufen aus denen in näherer Zukunft afrikanische Kleider für mich genäht werden. Er zeigt mir verschiedene Ecken von Kumasi, wie beispielsweise das größte Krankenhaus und einen Supermarkt, der einem deutschen Laden mehr ähnelt als die Buden, die in den kleineren Städten zu finden sind. James kaufte mit mir eine Handykarte, mit der ich eigentlich Internetzugang haben sollte. Aus unerklärlichen Gründen weigerte sich mein Handy allerdings mir mit Hilfe vom Internet das Kontakthalten mit Euch zu erleichtern. Deshalb besuchten wir zweimal ein Internetcafé, sodass ich immerhin schon ein bisschen skypen konnte. Ich werde bald den Vodafone-Store aufsuchen und von da an sollte mein Internetproblem hoffentlich gelöst sein.
Jeden Sonntag besucht James und seine Familie die Kirche, wenn nichts Wichtigeres zu erledigen ist. Es handelt sich um eine Art Gospelkirche mit anliegendem Gebäude für Kinderbibelstunden. Während die Erwachsenen also die Messe besuchen, wird den Kindern von Lehrern auf spielerische Art und Weise der Glaube und die Bibel näher geführt. James ist einer der Lehrer.
Die Stimmung der Messe für die Erwachsenen ist kaum vergleichbar mit der Atmosphäre in deutschen Messen. Während der Pastor Bibelstellen vorliest, verfolgen die Menschen diese in ihren Bibeln, die sie von zuhause mitgebracht haben. Nach jeder Bibelstelle hält der Pastor eine Predigt. Die Menschen können deren Inhalte auf einer Leinwand verfolgen und jubeln oder klatschen als Bestätigung dafür, dass sie die Meinung des Pastors teilen. Er begeistert die Menschenmenge. Gebetet wird indem jeder seine Gedanken, Gefühle und Bitten zur gleichen Zeit laut ausspricht – bei der Geräuschkulisse versteht man dann sein eigenes Wort nicht mehr. Gesungen wird mal gemeinsam mit Hilfe der Leinwand, mal singt allerdings auch der Gospelchor, was sehr schön klingt. Zur Kommunion wird jedem eine Hostie gereicht und eine Art Pinntchen gefüllt mit Traubensaft oder ähnlichem. Alles in allem gibt es demnach Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen ghanaischen und deutschen Messen.
Die zweite Woche verbrachte ich hauptsächlich mit Esthee, weil James den neu gekauften Schulbus abschleifen, reparieren und anmalen musste, damit auch wirklich alles soweit für den Schulstart vorbereitet war. Ich durfte Esthee beim Zubereiten von afrikanischen Gerichten helfen, mit ihr Kleidung oder Töpfe waschen und sie zum Markt in Agona begleiten. Eine echte Hausfrauenwoche eben, die für mich sehr spannend und hilfreich war. In der Mitte der Woche brachte Esthees Schwester dann die anderen Kinder zurück – Sanctuary (9 Jahre), Lavenda (8 Jahre), Taylor (5 Jahre) und Susanna (4 Jahre). Es handelt sich um sehr aktive, aber dennoch absolut liebenswerte Kinder, die sehr gerne viel Krach machen und am liebsten pausenlos mit mir spielen möchten. Sie hatten auch die wundervolle Idee zu einer Fischfarm in der Nähe zu gehen und den Besitzer dort um ein paar Fische zu beten. Seitdem sind wir Halter von circa 30 kleinen Fischen, deren Wasser täglich gewechselt werden muss und die 5mal am Tag gefüttert werden möchten.
Außerdem bringe ich Sanctuary das Tippen bei, wobei ich doch selber nicht mal das Zehnfinger-System beherrsche. Egal, die Theorie kenne ich ja zumindest. Wir verwenden dazu vorerst eine alte Schreibmaschine um später dann auf den Computer umzusteigen.
Also langweilig wird mir hier auf jeden Fall nicht so schnell.
Mittlerweile hat die Schule schon begonnen und ich habe an einer klassisch ghanaischen Beerdigung teilgenommen. Davon berichte ich euch dann in näherer Zukunft, wenn ich die Zeit finde weiterzuschreiben. Auf Grund der 1000 neuen Eindrücke fällt es mir nämlich sehr schwer mich bei meinen Beschreibungen kurz zu fassen. Ich hoffe, dass ihr nun schon eine kleine Vorstellung über mein Leben hier in Ghana habt und freue mich über liebe Worte und Kommentare von Euch. Es hat mich übrigens sehr gerührt zu hören wie viele Menschen zuhause Mama und Papa über mein Wohlergehen ausquetschen – das wollte ich noch unbedingt gesagt haben!
Ganz ganz liebe Grüße nach Deutschland! Ich hoffe es geht auch gut da oben! Eure Luca
P.s. Die ersten Fotos folgen bald!