Dienstag, 10. Februar 2015

AFEHYIA PA!

Hallo ihr Lieben,

zunächst einmal wünsche ich Euch - wenn auch verspätet, was ja nicht ganz untypisch ist für Ghana - ein gesegnetes, spannendes, gesundes, humorvolles, erlebnisreiches und vor allem glückliches Jahr 2015!
Auf Twi sagt man "AFEHYIA PA", was bei den Ghanaer in etwa so klingt: "afischiah poooooooo". Das langgezogene O am Ende betont dir Nettigkeit dieser Wünsche umso mehr, findet ihr nicht auch?
Diese lieben Grüße beziehen sich übrigens nicht nur auf Silvester, sondern auch auf das Fest der Liebe - Weihnachten. Folglich wird man circa eine Woche vor Weihnachten bis Wochen nach Silvester mit diesen netten Worten begrüßt. Wenn man dann noch passend antworten kann, erntet man viele lächelnde Gesichter.

Doch was zeichnet die Vorweihnachtszeit - auch bekannt als Adventszeit - in Ghana sonst noch so aus? Anfang Dezember hätte ich auf diese Frage vermutlich erwidert, dass es derartiges in Ghana nicht gäbe. Keine kalten Temperaturen, keine Weihnachtsdeko, kein Adventskranz, keine Kerzen, kein Weihnachtstee, um sich aufzuwärmen und keine kuscheligen Kaminabende.
Nur die kleinen Geschenke aus dem Adventskalende(!)r, die meine anonymen Freundinnen mir schenkten und die Whatsappsprachnachrichten von Eiki, die mir jeden Tag einen von 24 Teilen einer Weihnachtsgeschichte vorließ, ließen mich spüren und wissen, dass Weihnachten vor der Tür stand. (an dieser Stelle ein erneutes großes DANKESCHÖN dafür!)

Am Wochenende des 5.-7. Dezembers vernahm ich dann das erste Klopfen. Mein erstes Wochenende ferner von meinem neuen Zuhause oder Umgebung stand an- ein Kurztripp nach Accra, Ghanas Hauptstadt. Zusammen mit meiner Facebookbekanntschaft - einer ganz lieben deutschen Freiwilligen (von einer anderen Organisation) und weiteren Mitgliedern ihrer Organisation besuchte ich den Weihnachtsmarkt. Jaja ihr habt richtig gelesen - Weihnachtsmarkt. Diese Art von Markt, die in Deutschland während der Adventszeit in jeder größeren Stadt zu finden ist und auf dem man Dinge von Weihnachtsdekoration und Schmuck über warme Klamotten, Naschereien oder auch Glühwein ergattern kann. Und ja, solch ein Markt sollte an diesem besagten Samstag im Goetheinstitut Ghanas stattfinden und ich war Gast.
Zwar war er nicht zu vergleichen mit einem Weihnachtsmarkt in Deutschland, aber man merkte, dass die Veranstalter sich viel Mühe bei der Planung gegeben hatten. Es gab verschiedenste Stände an denen man sowohl ghanaische und afrikanische Schätze wie Stoffe, Taschen oder Holzschnitzereien, als auch amerikanische Weihnachtsdekoration, Kerzen, Honig, Bücher oder Schokolade finden konnte. Untermalt wurde die ganze Veranstaltung von einer talentierten ghanaischen Musikgrupp, die am Ende sogar Weihnachtslieder darbot. Das absolute Highlight für mich war jedoch ein ghanaischer Kinderchor des Goetheinstituts, der extra für diesen Tag deutsche(!) Weihnachtslieder erprobte. Folglich hatte sich wirklich in jedem Gast Weihnachtslaune entwickelt.
Anschließend besuchten wir eine der Malls in Accra, was in mir pure Aufregung, Verwirrung und Glücksgefühle erweckte.Ich weiß garnicht genau wie ich Euch diese Gefühlslage beschreiben soll.Schon sofort nach Ankunft in Accra fiel mir ein Unterschied zu Kumasi auf. Accra ist viel "westlicher orientiert": die Leute sind anders gekleidet, mir sind mehr Fabriken ins Auge gestochen, meinem Eindruck nach gab es mehr ausgebaute Straßen und es gab eben diese Malls. Nach betreten dieser wusste ich nicht so richtig wo ich mich befand. Ich stand in einem großen Kaufhaus mit Rolltreppen, Geschäften, einem riesigen Supermarkt, Restaurants und Toiletten mit fließendem Wasser, das geschmückt war mit richtig kitschiger Weihnachtsdekoration. Ein Kaufhaus wie man es in Deutschland finden könnte. Aber es passte eben nicht in das Ghana, was ich bislang kennen lernen durfte. Wo war die ghanaische, laute, lustige, traditionelle Atmosphäre? Hier jedenfalls nicht.
Und damit nicht genug. Am nächsten Mittag nach der kostenlosen Übernachtung bei einem der Freiwilligen und einem ausgiebigen, köstlichem, gemütlichem zweiten Adventsfrühstück und anschließendem Haareschneiden unter den Mädchen, fuhren wir zu einer weiteren Mall, um dort einen richtigen Kaffee zu trinken (serviert in deutschen Biergläsern hihi). Einen Kaffee aus gemahlenen Bohnen, mit Milchschaum bedeckt und Kakaopulver verziert - ein richtig richtiger Kaffee eben! Oder soll ich besser Hochgenuss sagen? Die Ghanaer sind nämlich leider absolut keine Kaffeetrinker, sodass man hier nur Nescafé-Instant-Kaffeepulver mit Wasser und Milchpulver vermischen kann, was am Ende nur mit viel Vorstellungskraft als Kaffee zu identifizieren ist.
Nach diesem himmlischen Erlebnis strebten wir also völlig glücklich und noch immer vom Genuss des Kaffees benebelt die fünfstündige Heimfahrt im luxuriösen VIP-Bus an.
Insgesamt war dieses Wochenende folglich absolut lohnenswert für mich: ich hatte eine weitere eher "westliche" Seite Ghanas entdeckt, erfolgreich ein paar liebe Menschen gefunden mit denen ich um und über Silvester reisen wollte und meine Weihnachtsstimmung war erstaunlich gestiegen.

Zurück in meinem neuen Zuhause schien sich nach diesem Wochenende auch einiges verändert zu haben. In der Schule lernte und sang man Weihnachtslieder und in Kumasi entdeckte ich plötzlich auch Weihnachtsdekoration. Man fand Tannenbäume, Lichterketten und Menschen mit Weihnachtsmützen und überall vernahm man die Klänge bekannter Weihnachtsklassiker - sogar auch auf dem Central Markt. Meine Weihnachtsstimmung hatte also passend zum Fest den Hochpunkt erreicht. Und dann war es so weit. Mein erstes Weihnachten weit weg von zuhause ohne meine Familie stand an.
Der 24. Dezember war ein mehr als normaler Tag an dem ich alleine auf meine Gastgeschwister aufpasste, da Mama Esthee und Papa James nach Kumasi gefahren waren, um den alljährigen Weihnachtsgroßeinkauf zu erledigen. Hier bedeutet Bescherung nämlich nicht "jeder öffnet die mit seinem Namen versehenen Geschenke, die unter dem Tannenbaum liegen". in einigen Familien, wie eben auch in meiner Gastfamilie, kaufen die Eltern neue Kleidung, Schuhe, Spiele oder anderes für sich und die Kinder, was dann aber eben nicht als Weihnachtsgeschenk bezeichnet wird.
Da in Ghana der 25. Dezember als Weihnachten definiert wird, plante ich für den Heiligabend (24.) ein Skypedate mit meiner Familie, weshalb ich live bei der Bescherung dabei sein konnte. Plötzlich klopfte es währenddessen an meinner Zimmertür und als ich öffnete, drückte mein Gastpapa mir eine große Tüte in die Hand mit den Worten "Hier Luca, dein Weihnachtsgeschenk!" In ihr befand sich eine 700g große Dose mit Keksen und eine Fanta- und Coladose. Meine Freude darüber war riesig! Mein Gastpapa wusste, dass man sich in Deutschland etwas schenkte und wollte mir so eine Freude bereiten - und das mit Erfolg!
Der 25. Dezember war dann leider ebenfalls eher unfeierlich. Es handelte sich um einen ganz normalen Tag an dem Mama Esthee sich jedoch etwas mehr Zeit nahm und Mühe gab, das Bankoo - afrikanisches Essen- zuzubereiten. Der vorher groß angekündigte Kirchengang, wofür ich mir extra ein Kleid hatte schneidern lassen, blieb ebenfalls aus. Ich fand das sehr seltsam: Ghana zählt zu den Ländern mit den meisten gläubigen Menschen, aber dennoch ist ein Gang zur Kirche an Weihnachten nicht bei allen eingeplant. Bei meiner Gastfamilie sogar nicht mal trotz der Tatsache, dass Sir James sogar ein Organisator und Bibelstundenlehrer in seiner Kirche ist.
Ich versuchte folglich das Beste aus dem Fest zu machen. Vormittags schnappte ich mir meine Gastgeschwister und wir wandelten mit Hilfe von Weihnachtskugeln aus dem Adventskalender eine Tanne unseres Gartens in einen Tannenbaum um - selbst der Stern auf der Spitze durfte nicht fehlen. Den restlichen Tag spielten wir, erzählten uns Geschichten und sangen Weihnachtslieder. Das abendliche Festmahl verspeisten wir zur Feier des Tages im Klassenraum der vierten Klasse und, wie an Sanctuarys Geburtstag, gab es sogar Cola, Fanta und Sprite als Getränke. Als Nachtisch bot ich deutschen Lebkuchen an, was meine Gasteltern sehr genossen, meine Geschwister jedoch eher weniger - war ihnen nicht süß genug hihi...

Und hier endet Lucas Weihnachten in Ghana auch bereits. Ich würde es abschließend als unspektakulär, anders, unfeierlich und unweihnachtlich bezeichnen - nächstes Jahr also wieder in Deutschland mit meinen Liebsten!
Wie ich es ja bereits erwähnte, verbrachte ich mein Silvester in Ghana reisend - meine erste Erkundungsreise des Landes . Wie das war und was ich entdeckte und erlebte, werde ich Euch in näherer Zeit wissen lassen oder sogar veranschaulichen.

Bis dahin sende ich Euch wärmste, sonnigste Grüße ins kalte Deutschland! So eine Jahreszeitenfreiheit hat auch seine Vorteile hihi..
Luca Valerie von und zu Lange

P.S. Für alle Fußballinteressierten unter Euch: ja, Ghana ärgert sich sehr über den knapp verpassten Titel im AfricaCup..Ich hoffe ihr trauert mit uns!